Matthias

Matthias
I
Matthias
 
[hebräisch, eigentlich »Geschenk Gottes«], als Ersatz für Judas Ischariot in den Kreis der zwölf Apostel gewählter Jünger (Apostelgeschichte 1, 21-26; nur hier erwähnt). Ein apokryphes Matthias-Evangelium war in gnostischen Kreisen verbreitet. Nach der Legende erlitt Matthias das Martyrium in Äthiopien durch Enthauptung (Beil als Attribut). Angebliche Reliquien werden in Trier (Abtei Sankt Matthias) verehrt, wohin sie über Rom durch die Kaiserin Helena und den Trierer Bischof Agritius im 4. Jahrhundert gelangten. - Heiliger (Tag: 14. 5.; im deutschen Sprachraum 24. 2.; in der orthodoxen Kirche 9. 8.).
 
Der Matthiastag (24. 2.) war als Frühjahrsbeginn Termin für den Dienstbotenwechsel. Er zählte zu den Lostagen und war durch Wetterregeln und Orakelhandlungen gekennzeichnet. Die seit dem 14. Jahrhundert in Hamburg abgehaltene »Matthiae-Mahlzeit« (der Senat bewirtet die der Stadt freundlich gesonnenen politischen Mächte) gilt als das älteste noch bestehende Festmahl.
 
 
Lambertus de Legia: De vita, translatione, inventione ac miraculis sancti Matthiae apostoli libri quinque, hg. v. R. M. Kloos (1958).
 
II
Matthias,
 
ungarisch Mátyás ['maːtjaːʃ], Herrscher:
 
 Heiliges Röm. Reich:  
 1) Matthias, Kaiser (seit 1612), * Wien 24. 2. 1557, ✝ ebenda 20. 3. 1619; Habsburger, dritter Sohn Kaiser Maximilians II.; war zunächst als Statthalter in den Niederlanden (1578-81) und im Erzherzogtum Österreich ob und unter der Enns (ab 1594) ohne großen politischen Erfolg. Gegen seinen Bruder, Kaiser Rudolf II., im April 1606 in einem Geheimvertrag als Haupt des Hauses Habsburg anerkannt (Beginn des »Bruderzwists«), übernahm Matthias als Erzherzog die Regierung in Österreich sowie die Führung des Krieges gegen die Türken und die aufständischen Ungarn um I. Bocskay (Friedensschlüsse ohne kaiserlicher Zustimmung, Zsitvatorok und Wien 1606). Im Vertrag von Lieben bei Prag vom 25. 6. 1608 musste Rudolf die Regierung in Österreich abtreten, ebenso in Mähren und Ungarn (dort war Matthias als Mátyás II. König bis Juli 1618). Nach der erzwungenen Abdankung Rudolfs am 23. 5. 1611 wählten ihn auch die böhmischen Stände zum König (tschechisch Matěj, gekrönt 11. 8.; bis 1617). Nach Rudolfs Tod wurde Matthias am 13. 6. 1612 zum Römischen König und Kaiser gewählt. Gestützt auf seinen Hauptratgeber Kardinal M. Klesl, suchte Matthias vergebens zwischen Protestanten und Katholiken zu vermitteln; der Prager Fenstersturz (23. 5. 1618 führte zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges. - 1615 sah er sich aufgrund versagter Reichsmittel zu einem ungünstigen Friedensschluss mit den Türken gezwungen (Türkenkriege). - Am 20. 3. 1617 willigte der kinderlose Kaiser in die Nachfolge Erzherzog Ferdinands (steirische Linie der Habsburger) ein, der seither die Politik prägte (als Ferdinand II. ab 1619 Kaiser).
 
 
Literatur: Habsburger
 
 Ungarn:  
 2) Matthias I. Corvinus [lateinisch »Rabe«], ungarisch eigentlich Mátyás Hunyadi ['maːtjaːʃ'hunjɔdi], König von Ungarn (seit 1458) und von Böhmen (seit 1469), * Klausenburg 23. 2. 1443, ✝ Wien 6. 4. 1490; Sohn von J. Hunyadi, in 2. Ehe seit 1476 Ȋ mit Beatrix von Neapel und Aragón. In Böhmen (1457 Geisel von Ladislaus V. Postumus) aufgewachsen, von Johannes (János) Vitéz (* um 1408, ✝ 1472) im humanistischen Sinn erzogen, wurde Matthias am 24. 1. 1458 vom ungarischen Adel zum König gewählt und konnte sich bis 1463 auch gegen seinen Rivalen (seit 1459), Kaiser Friedrich III. (am 17. 2. 1459 von einer Gegenpartei erhoben), durchsetzen sowie die königliche Macht stärken; am 29. 3. 1464 wurde Matthias in Stuhlweißenburg gekrönt. Der böhmische König Georg von Podiebrad und Kunštát, sein damaliger Schwiegervater, musste ihm im 2. Hussitenkrieg (1468-71) 1469 Schlesien, die beiden Lausitzen und Mähren überlassen, deren Besitz ihm auch dessen Nachfolger Wladislaw II. zugestehen musste (1479); am 3. 5. 1469 hatte die katholische Minderheit der böhmischen Stände Matthias in Olmütz zum König von Böhmen gewählt. Matthias versuchte vergeblich, die römische Königskrone zu gewinnen. Mit dem Ziel, ein mitteleuropäisches Großungarisches Reich aufzubauen, eroberte er bis 1485 Niederösterreich, Steiermark sowie Kärnten und vertrieb Kaiser Friedrich III. aus Wien (1485-90 von Matthias besetzt und dessen Residenz). Auch die Türkengefahr in Bosnien und Serbien konnte er 1479-83 noch einmal mit seinen Söldnerheeren (»Schwarze Schar«) bannen. Unter dem hochgebildeten Matthias stieg Ungarn zur politischen Großmacht und zu einem Zentrum der Renaissancekultur sowie des Humanismus auf. Beeinflusst von italienischen Gelehrten und Künstlern an seinem prunkvollen Hof (großzügige Bauten in Buda, Lustschloss in Visegrád), richtete er in Ofen die Bibliotheca Corviniana ein und gründete die Universität Preßburg. - Matthias ist legendärer Held vieler ungarischer Sagen und Volksmärchen.
 
 
Bibliotheca Corviniana, bearb. v. C. Csapodi (a. d. Ungar., Budapest 31982);
 I. Ackerl: König M. C. Ein Ungar, der in Wien regierte (Wien 1985);
 K. Nehring: M. Corvinus, Kaiser Friedrich III. u. das Reich (21989).
 

Universal-Lexikon. 2012.

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